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Abgehört und nichts zu verbergen? DIVSI-Studie, ein Jahr nach Snowden-Enthüllung

Montag, 26.05.2014

Die von Deutschen zum Datenschutz im Internet gezogenen Konsequenzen sind ein Jahr nach den Snwoden-Enthüllungen sehr unterschiedlich. Das ergibt sich aus einer Studie des DIVSI, Deutsches Institut für Vertrauen und Sicherheit im Internet. Mehrheitlich werde kritisiert, dass derzeit zu wenig für Datenschutz in Deutschland unternommen werden würde, wird in der Pressemitteilung zu der Studie ausgeführt.

Zwar ist danach jeder zehnte vorsichtiger geworden. Allerdings zeigt die Untersuchung auch eine gewisse Gleichgültigkeit. 44 % der Befragten haben erklärt, dass es sie nicht interessiert, ob ihre Telefonate oder Mails abgehört oder aufgezeichnet werden: "Ich habe nichts zu verbergen und ich werde auch nichts ändern“. Datenschutz ist allerdings in einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung essenziell.

Im sogenannten Volkszählungsurteil erläutert das Bundesverfassungsgericht bereits 1983: "Wer nicht mit hinreichender Sicherheit überschauen kann, welche ihn betreffende Informationen in bestimmten Bereichen seiner sozialen Umwelt bekannt sind, und wer das Wissen möglicher Kommunikationspartner nicht einigermaßen abzuschätzen vermag, kann in seiner Freiheit wesentlich gehemmt werden, aus eigener Selbstbestimmung zu planen oder zu entscheiden. Mit dem Recht auf informationelle Selbstbestimmung wären eine Gesellschaftsordnung und eine diese ermöglichende Rechtsordnung nicht vereinbar, in der Bürger nicht mehr wissen können, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über sie weiß."

In der Pressinformation des DIVSI vom 23. Mai 2014 wird ausgeführt:

"Der 9. Juni 2013 war ein Sonntag. Es war der Tag, an dem die Weltöffentlichkeit erstmals den Namen Edward Snowden hörte. Der frühere US-Geheimdienstmitarbeiter war nach Hongkong geflüchtet und enthüllte dort in einem Interview mit dem britischen „Guardian“ Hintergründe über das, was seitdem als gigantische Ausspäh-Affäre bekannt ist: NSA und GCHQ haben mit ihren Aktionen PRISM und Tempora überall geschnüffelt. Fünf Tage später erwirkte das FBI mit einer Strafanzeige u. a. wegen Spionage einen Haftbefehl gegen ihn.

Für die einen ist Snowden ein Held, für die anderen ein Verräter. Was hat sich – ein Jahr nach seinen Enthüllungen – durch seine Aussagen für uns alle geändert? Privat und im allgemeinen Netzverhalten? Was fürchten wir, was lässt uns gleichgültig?

Im Auftrag von DIVSI führte dimap zu Fragen dieser Art zwischen dem 24. April und dem 6. Mai 2014 eine repräsentative Bevölkerungsstudie durch. In Computergestützten Telefoninterviews wurden insgesamt 1007 Bundesbürger ab 16 Jahren als Zufallsauswahl befragt.

Die Berichterstattung über den Fall Snowden wird von der Mehrheit als genau richtig bezeichnet. Insgesamt fühlen sich 41 % als hinreichend informiert. 29 % halten die Informationen dagegen für „zu wenig umfangreich“. 15 % haben zu dieser Frage keine Meinung.

Sehr unterschiedlich dagegen sind die Schlussfolgerungen, die von den Deutschen zum Thema Datenschutz im Internet seit Bekanntwerden der Spionageaffäre gezogen werden.

Beinahe jeder zweite (insgesamt 48 %) meint, dass das Vorgehen der Geheimdienste unser Recht auf Privatsphäre und damit die Grundrechte verletze. Am stärksten ist dieser Gedanke bei den 16- bis 24-Jährigen ausgeprägt. 60 % dieser Gruppe sind davon überzeugt. Insgesamt 22 % sehen solche Geheimdienstaktionen allerdings als „gerechtfertigt“ an, „solange es der Sicherheit aller dient“.

Mehrheitlich wird kritisiert, dass derzeit zu wenig für den Datenschutz in Deutschland unternommen wird. 47 % sind insgesamt dieser Ansicht. Bei den Gruppen 25- bis 34 Jahre sowie 55- bis 64 Jahre liegt der Wert bei jeweils über 50 %.

Generell lehnt die große Mehrheit den Zugriff auf private Daten im Netz durch Außenstehende ab. 83 % aller Befragten würde einen Datenzugriff ausländischer Sicherheitsbehörden nicht erlauben. Im Vergleich zur repräsentativen PRISM Online-Blitzumfrage von DIVSI im Juni 2013 zeigt sich hier eine interessante Veränderung: Zwar waren bereits im vergangenen Jahr 84 % dagegen, ausländischen Sicherheitsbehörden Zugriff auf private Daten zu gestatten – jeder zweite war jedoch der Meinung, dass deutsche Sicherheitsorgane grundsätzlich durchaus Zugriff auf private Daten haben dürften. 2014 sehen dies nur noch 39 % der Befragten so.

Die Untersuchung hat auch eine gewisse Gleichgültigkeit gezeigt. Zwar glaubt insgesamt die Mehrheit (56 %), jeder werde abgehört. Am stärksten (73 %) ist hiervon die Gruppe der 16- bis 24-Jährigen überzeugt. Andererseits sehen die meisten den Umgang mit Lauschangriffen recht locker. „Es interessiert mich nicht, ob meine Telefonate oder Mails abgehört oder aufgezeichnet werden. Ich habe nichts zu verbergen und ich werde auch nichts ändern“, erklären 44 % aller Befragten.

Dabei ist gleichzeitig eine deutliche Mehrheit (55 %) sicher, dass die „meisten Menschen ihr tägliches Nutzungsverhalten nicht geändert“ haben. Von den 55-bis 64-Jährigen sind hiervon sogar zwei Drittel (66 %) überzeugt.

Nur 9 % der Befragten geben an, wegen der Snowden-Enthüllungen beim Telefonieren, Mailen und Surfen im Internet „sehr viel vorsichtiger“ geworden zu sein. Weitere 14 % verhalten sich seitdem „etwas vorsichtiger“.

Die Umfrage hat außerdem ergeben, dass das Internet insgesamt als die überwiegende Informationsquelle für das aktuelle Tagesgeschehen auf Platz vier liegt (39 % nutzen es hierfür). Spitzenreiter ist das Fernsehen (66 %) vor der Zeitung (53 %) und dem Radio (40 %).

Diese Wertigkeitsskala ändert sich allerdings mit Blick auf die speziellen Altersstrukturen. Das Internet als Informationsquelle ist bereits Spitzenreiter bei den 25- bis 34-Jährigen (75 %) sowie bei den 16- bis 24-Jährigen (62 %). Bei diesen Gruppierungen rutschen die klassischen Zeitungen mit 33 bzw. 21% deutlich ab. Diese Zahlen könnten eine allgemeine Verschiebung bei der Art von Informationssammlung signalisieren.

Die Mehrheit der Befragten (52 %) hält ein starkes, gemeinsames Auftreten der Europäischen Union beim Thema Datenschutz gegenüber den USA für wichtig. 26 % finden, dass jeder Staat zunächst einmal seinen eigenen Standpunkt finden sollte. Und 16 % haben quasi resigniert. Sie sind überzeugt, dass die USA ohnehin machen, was sie wollen.

Snowden selbst ist durch seine Enthüllungen übrigens zur bekannten Person geworden. Insgesamt 80 % der Befragten wissen ihn richtig einzuordnen. Dieser sehr hohe Bekanntheitsgrad bei allen soziodemographischen Gruppierungen macht deutlich welche Aktualität die Vorgänge rund um seine Person und die Enthüllungen haben.

Quelle: Presseinformation vom 23. Mai 2014 des Deutschen Instituts für Vertrauen und Sicherheit im Internet, DIVSI, www.divsi.de