In einer wegweisenden Entscheidung des Landgerichts Stuttgart haben die Beklagten - die zuvor wegen illegalen Filesharings abgemahnt worden waren - vollumfänglich gewonnen. Die Klage wurde abgewiesen.
Das Urteil des Landgerichts Stuttgart mit der Geschäftsnummer 17 O 39/11 ist am 28. Juni 2011 verkündet worden.
Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass den Klägerin kein Schadensersatzanspruch zustehen würde, da nicht festgestellt werden könne, dass die Beklagten für die Rechtsverletzungen verantwortlich seien - und zwar weder als Täter, noch als Störer.
Filesharing-Software und IP-Adresse
Ein Dienstleister hatte in dem streitgegenständlichen Fall im Auftrag mehrerer Rechteinhaber ermittelt, dass angeblich in einem bestimmten Zeitraum insgesamt 253 Audiodateien über eine bestimmte IP-Nummer mit einer Filesharing-Software zum Herunterladen im Internet verfügbar gemacht wurden. Nachdem Strafantrag gegen unbekannt gestellt worden war, erteilte der Provider aufgrund Auskunftsersuchens der zuständigen Staatsanwaltschaft die Auskunft, wem diese IP-Adresse zu dieser Zeit zugeordnet war.
Mitarbeiter der Kriminalpolizei suchten darauf die nicht vorgewarnte betroffene Familie auf, zu der die IP-Adresse gehören sollte. Allerdings fand die Kriminalpolizei zwar einen einzigen PC, der von allen vier Familienmitgliedern genutzt wurde. Auf dem PC fand die Kriminalpolizei aber kein Filesharing-Programm und auch keine verdächtigen Audiodateien.
Abmahnung
Ein gutes Jahr später mahnten die Rasch Rechtsanwälte die Beklagten ab und verlangten die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, sowie 3500 Euro. Die Beklagten gaben eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab, waren aber zu keiner Zahlung bereit, auch nicht zu dem auf 1800 Euro reduzierten Vergleichsangebot.
Klage
Gegen die Beklagten wurde Klage auf Zahlung von 5380 Euro erhoben. Der Betrag setzte sich aus 2380 Euro Anwaltskosten und 3000 Euro Schadensersatz - 300 Euro Schadensersatz pro Musiktitel, es ging um insgesamt zehn Titel - zusammen.
Urteil
Nach Ansicht des Gerichts kamen die Beklagten ihrer sekundären Beweislast nach.
Dazu ist auch auf folgende Erläuterung des Gerichts hinzuweisen: "Generell entstehen einer Partei erhebliche Beweisprobleme, wenn sie Umstände beweisen muss, die zu dem ihren Blicken entzogenen Bereich des Prozessgegners gehören. Gleichwohl verbietet sich eine prozessuale Aufklärungspflicht der nicht beweisbelasteten Partei, da generell keine Partei verpflichtet ist, dem Gegner die für den Prozesssieg benötigten Informationen zu verschaffen. Mehr als eine Modifizierung der Darlegungslast - wie sie der BGH für den Anschlussinhaber vorsieht - verbietet sich, da andernfalls der Grundrechtsschutz des Prozessgegners über Gebühr beeinträchtigt wird...".
Die Beklagten hätten hier nicht nur die Rechtsverletzung bestritten, vielmehr hätten sie zu den Vorwürfen substantiiert Stellung genommen. Zudem hätten sie eine "überraschende Nachschau durch den Polizeibeamten ermöglicht", ohne dazu verpflichtet zu sein. Das alles spreche dafür, dass die Beklagten also nichts zu verbergen hatten. Sie hätten vielmehr durch ihr Verhalten zu der Aufklärung beitragen wollen. Dadurch hätten sie beweisen wollen, dass die Vorwürfe nicht berechtigt waren.
Fazit
Das Urteil ist zu begrüßen. Denn dass durch die Zuordnung von IP-Adressen immer wieder einmal Unschuldigen eine Rechtsverletzung vorgeworfen wird, da IP-Adressen falsch zugeordnet wurden, ist keine neue Erkenntnis.
Da wohl kaum jemand 24 Stunden am Tag zum Beispiel einen Ortsabwesenheitsnachweis zu einem angeblichen Tatzeitpunkt erbringen kann, darf die sekundäre Darlegungslast von Abgemahnten nicht über Gebühr strapaziert werden.
Sollten Sie eine Abmahnung erhalten haben, berät Sie die Anwaltskanzlei Wienen gerne. Sie können dazu folgende Telefonnummer wählen: 030 - 390 398 80.
Rechtsanwältin Amrei Viola Wienen, Wirtschaftsmediatorin Anwaltskanzlei Wienen, Kanzlei für Medien & Wirtschaft Kurfürstendamm 125 A 10711 Berlin Tel.: 030 390 398 80 www.Kanzlei-Wienen.de |